K(l)eine Superlative

Von Kleinigkeiten und Unvollkommenheiten, die ziemlich großartig sind

Weltweit einmaliges Grünsandstein-Ensemble, die größte Sammlung mittelalterlicher Armbrustbolzen der Welt und Europas größte Altstadtkirmes... Nein, mit Superlativen müssen wir in Soest nicht geizen. Aber mal ehrlich: Muss etwas eigentlich immer riesengroß und perfekt sein um "großartig" zu sein? Sind es nicht manchmal eben gerade die Ecken und Kanten, die kleinen "Macken" und etwas schrulligen Eigenheiten, die den Charakter formen und etwas einzigartig und liebenswert machen? Und in manchen Fällen entstehen aus ursprünglichen Missgeschicken wahre Erfolgsgeschichten...

Daher möchten wir hier einmal bewusst den Fokus auf zunächst scheinbar unbedeutende Geschichten am Rande und kleine Unvollkommenheiten richten, die auf den zweiten Blick betrachtet ziemlich großartig sind:

Kleiner "Großer Teich"

Wenn Soester vom Großen Teich sprechen, meinen sie nicht den atlantischen Ozean zwischen Europa und Nordamerika, sondern einen aufgestauten Quellteich, der geographisch gesehen den Mittelpunkt der Stadt bildet. Die Soester Version des Großen Teichs hat überschaubare Ausmaße. Bei einer Länge von 110 und einer Breite von 65 Metern verfügt er aber über eine eigene Insel, die mit 27 Quadratmetern immerhin größer ist als so manche Studenten-Wohnung.

Vom Ufer dieses beschaulichen Teichs ausgehend, hat Soest eine beachtliche wirtschaftliche Karriere hingelegt: Aus seinem salzhaltigen Wasser hat man das weiße Gold gesiedet, das der bedeutenden und einflussreichen Hansestadt im Mittelalter einen beachtlichen Reichtum beschert hat. Den kann man noch heute z. B an der Dichte der Kirchen innerhalb der historischen Stadtmauern ablesen. Nicht zuletzt das Panorama der umliegenden Kirchtürme beschert Besuchern am Teich eine schlichtweg großartige Kulisse.

Großer Teich

Geschmackvolle Unfälle

Glaubt man der Legende, so ist eine der bekanntesten Soester Spezialitäten – das Soester Pumpernickel – dadurch entstanden, dass jemand unaufmerksam war. Man sagt nämlich, dass das Brot beim Backen versehentlich im Ofen vergessen wurde. Zum Glück ist es dabei nicht, wie zunächst befürchtet, verbrannt und hat daher seine schwarze Farbe bekommen. Vielmehr ist die Stärke im vollen Roggen-Korn während der langen Back-Zeit bei niedriger Temperatur karamellisiert. Dadurch schmeckte es beim zaghaften ersten Probieren süß und ziemlich köstlich. Die Soester Spezialität war geboren und trat ihren Siegeszug an. Heute findet man Original Soester Pumpernickel in Delikatessengeschäften in ganz Deutschland.

Ähnlich verhält es sich mit dem Soester Bullenauge. Als während einer Vorstandssitzung in der Soester Molkerei der westfälische Korn ausging, holte man eilig, was man noch finden konnte. Und das war eine bis dahin wenig beachtete Flasche Edelmokka-Likör, den man mit ein paar Tropfen Sahne streckte. Aus dem einstigen „Notnagel“ wurde das Soester National-Getränk, ohne das man sich eine Allerheiligenkirmes gar nicht mehr vorstellen könnte.

Starke Karnevalsschwäche

Während in den Dörfern und Gemeinden drumherum ausgelassen gefeiert wird und König Karneval regiert, bleiben die Soesterinnen und Soester in dieser Zeit stoisch. Es ist nicht so, dass wir nicht feiern können – das beweisen wir besonders eindrucksvoll im November. Unsere fünfte Jahreszeit heißt Allerheiligenkirmes und unser Rosenmontag heißt Pferdemarkt-Donnerstag. Einen Karnevals-Umzug sucht man in Soest aber vergeblich. 

Karneval gehört historisch bedingt nicht zur Soester Kultur, die auch durch die Reformationsbewegung geprägt wurde. Dank unserer „karnevalistischen Feierschwäche“ sind die Soester Hotelbetten in dieser Zeit aber recht gut gefüllt. Immer mehr ruhesuchende Rheinländer wissen genau das nämlich zu schätzen und verbringen während der „tollen Tage“ hier eine ruhige Auszeit.

Keine Berge und kein Meer

Soest ist eine Hansestadt – und auch wenn es Pläne gab, den Soestbach schiffbar zu machen, gibt es bis heute keinen Zugang zum Meer. Schiffe legen am Ufer des Großen Teiches also nicht an und es gibt keine Schwärme von Kreuzfahrern in der historischen Altstadt. Auch ein imposantes Berg-Panorama hat die Soester Börde nicht zu bieten. Doch auch ohne nennenswerte Erhebungen und Strand ist die Region ein Traum-Reiseziel. 

Durch die verkehrsgünstige Lage am alten Hellweg – die auch schon die Hansekaufleute zu schätzen wussten – ist die mittelalterlich geprägte Stadt aus allen Himmelsrichtungen und allem voran dem Rheinland und Ruhrgebiet gut zu erreichen. 

In der flachen Soester Börde lässt es sich ohne große Steigungen auch ohne E-Bike hervorragend radeln. Ein Radweg entlang einer ehemaligen Bahntrasse führt z. B. zum benachbarten Möhnesee. Und wie heißt es so schön? – Wenn ich den See seh´, brauche ich kein Meer mehr… Direkt dahinter locken auch schon die Berge des Sauerlandes.

Sichtlich unperfekt

Alt St. Thomä

Alles andere als gerade ist der Turm der Kirche Alt St. Thomä. Warum der Turmhelm die deutliche Neigung zeigt, ist umstritten. Die einen sagen, er sei absichtlich schief gebaut worden, um dem harten Westwind zu trotzen. Die anderen gehen davon aus, dass er sich erst im Nachhinein durch Fäulnis im Gebälk geneigt hat. 

Wie dem auch sei - der ungewöhnliche „Schiefe Turm“ fällt auf in der markanten Soester Kirchturmsilhouette und ohne ihn wäre sie nicht komplett.

Wenig erfolgsträchtige Geschäftsideen

Als die Soester Wallmauer aufgrund immer fortschrittlich werdender Waffentechnologie ihren Dienst als Verteidigungsanlage getan hatte, gab es mehrere Versuche, sie anderweitig zu nutzen. So startete man zum Beispiel einen Versuch, in die Seidenproduktion einzusteigen und pflanzte Maulbeerbäume auf der Mauer an. Auch gab es Bemühungen, an der Wallmauer Wein anzubauen. Wirklich erfolgsträchtig waren beide Geschäfts-Ideen allerdings nicht. 

Dafür kann man auf einer der beiden einzigen baumbestandenen mittelalterlichen Wallanlagen Europas heute aber herrliche Spaziergänge machen, ohne Produktionsgelände zu betreten. Am Ende eben vielleicht doch gut gelaufen…

Kattenturm

Ziemlich "kleinkariert"

Fachwerkgasse

Soest ist bekannt als Fachwerk-Stadt. Von den in typischer Bauweise errichteten Häusern im schwarz-weißen „Karo-Look“ stehen rund 600 unter Denkmalschutz.

Eine repräsentative Deckenhöhe und großzügige Wohnfläche bieten die meisten Fachwerkhäuser nicht. Im Mittelalter waren die Menschen kleiner als heute, Platz war innerhalb der schützenden Wallmauer knapp und man rückte gern freiwillig ein bisschen näher zusammen, um es im Winter schön warm zu haben. 

Auf wenigen Quadratmetern bündeln die Häuser heute jede Menge Charme und Geschichte. Ihre stolzen Besitzer wissen genau das zu schätzen. Sie hegen und pflegen ihre Häuschen, haben sie in vielen Fällen aufwendig sanieren lassen, schmücken die kleinen Sprossenfenster mit Blumenkästen und liebevollen Dekorationen und unterstreichen damit ihren ganz individuellen und einzigartigen Charakter. 

So werden auf kleiner Fläche große Wohnträume wahr. Und Besucher können an gefühlt endlosen Fachwerkzeilen entlangflanieren und immer wieder neue, hübsche Details entdecken.

Klein aber fein

Die Anzahl an Sitzplätzen ist überschaubar und an sonnigen Tagen heißt es für ein Eis in der Waffel oder im Becher zum Mitnehmen auch schon einmal Schlange stehen. 

Im Jahr 2024 ist die Eismanufaktur Soest aber vom Feinschmecker-Magazin Falstaff zur beliebtesten Eisdiele in NRW gekürt worden. Da stehen auch Vierbeiner schon mal gerne mit an. Neben saisonal wechselnden Eissorten aus regionaler Bio-Milch und hausgemachten Zutaten, ist nämlich auch spezielles Hunde-Eis im Angebot.

Jünger ist nicht immer besser

Jugendlichkeit mag attraktiv sein, das Alter aber verleiht oft mehr „Charakter“. 

Das weiß auch Jens Wieners, Bierbrauer in Soests einziger noch aktiver Brauerei „Brauhaus Zwiebel“, zu schätzen. Bei Brauervorträgen und Brauerei-Besichtigungen, die man auf Anfrage buchen kann, erläutert er unter anderem, dass sich eine gewisse „Reife“ zuweilen positiv auf den Geschmack auswirkt. 

Bei manchen Sorten entwickeln sich tiefere, charakteristische Aromen erst mit der Zeit. Um das Beste und den ganz eigenen, unverwechselbaren Charakter aus einem Bier heraus zu kitzeln, braucht es also Geduld, einen guten Geschmackssinn und jede Menge handwerkliche Erfahrung. Und auch die wird mit den Jahren stetig größer.

Jägerrauschen

Möchten Sie mehr zu alldem wissen, was Soest so unverwechselbar und liebenswert macht? Dann machen Sie doch mal eine Stadtführung mit. Aus immer wieder neuen Blickwinkeln gibt es noch so viel mehr zu erzählen und zu wissen, dass es garantiert nie langweilig wird.

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