Die Soester Fehde: Kölner kämpfen mit Weizengrieß und Kaffeepulver gegen die aufmüpfigen Soester
Nachstellungen historischer Ereignisse – im Fachjargon auch als Reenactment oder Living History bekannt – befassen sich in einer Vielzahl von Fällen, in Europa wie auch in den Vereinigten Staaten, mit Darstellungen von Kriegsereignissen. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass hier auch Waffen der jeweiligen Zeit zum Einsatz kommen.
Dies gilt bekannter Weise auch für die Soester Fehde, genauer gesagt für die Inszenierung des „Großen Sturms auf die Stadt von 1447“ in der Gräfte am Stadtwall. Aus diesem Grund gibt es hohe Sicherheitsvorkehrungen, für die die Veranstalter um Verständnis bitten. Zum einen wird großräumig um das Veranstaltungsgelände herum zu den Aufführungszeiten der unmittelbare Durchgang gesperrt. Zum anderen ist das Passieren der konkreten Spielfläche (also der Wechsel von Tribüne A zu Tribüne B) ebenso wie der Aufenthalt in diesem Bereich im Vorfeld der Veranstaltung Besuchern nicht gestattet. Zwei großzügige Zugänge zu den Tribünen sorgen für ein überschaubares Kommen und Gehen der Fehde-Besucher. Somit wird bereits im Vorfeld Sorge dafür getragen, dass der Besucherstrom kontrolliert ablaufen kann.
Darüber hinaus wurde der Einlass erst für Kinder ab sechs Jahren zugelassen. Hier hat man auf die Erfahrungen aus den Vorjahren reagiert, die gezeigt haben, dass die Kanonenschläge kleinere Kinder durchaus verängstigen und in nicht wenigen Fällen die ganze Familie aus diesem Grund die Vorführung vorzeitig verlassen musste. Das gleiche gilt für die Mitnahme von Hunden.
Einen besonderen Blickfang, aber auch eine besondere Herausforderung stellen für den Veranstalter die beim Sturm eingesetzten Kanonen dar. Hier wurde auf maximale Abstandssicherung mit bestmöglicher Sichtgarantie für die Besucher geachtet. Die Schusszeiten sind übrigens nach einem genauen Plan mit der Regie festgelegt. Darüber hinaus erfolgt durch einen Sprecher die gesonderte Aufforderung unmittelbar vor den Detonationen Ohrstöpsel einzusetzen, die grundsätzlich an alle Zuschauer im Vorfeld verteilt werden.
Michael Schiewe, Chefkoordinator der Soester Fehde, beschäftigt sich intensiv mit Sicherheitskonzepten bei Veranstaltungen und hat dies natürlich auch unter den besonderen Herausforderungen, die das Gefecht am Wall darstellt, getan. Zahlreiche Prüfungen und gesetzliche Vorschriften zum Einsatz der Waffen, insbesondere der Umgang mit den Kanonen und Schwarzpulver, sind dabei ein ganz wichtiges Thema. So müssen Kanonen, bzw. deren Besitzer amtliche Beschusszeichen besitzen oder für Deutschland anerkannte Zertifikate diesbezüglich. Kanoniere müssen nach §27 Sprengstoffgesetz über eine Erlaubnis für den Erwerb und den Umgang mit Schwarzpulver verfügen. Es sind also ausschließlich Experten, die mit den explosiven Materialien wie z.B. Schwarzpulver arbeiten und für einen fachgerechten, sicheren Transport und eine ebensolche Lagerung Sorge tragen.
Interessant zu wissen in diesem Zusammenhang: in Soest wir nicht im eigentlichen Sinne geschossen, sondern geböllert, d.h. es fliegen keinerlei Geschosse durch die Gegend. Und, wer hätte das gedacht, es sind Weizengrieß und Kaffeepulver enthalten, um die Lademischung zu verdämmen.
Etwas weniger laut kommen darüber hinaus noch andere Waffen zum Einsatz: kleinere Handfeuerwaffen, Handrohre, Hakenbüchsen, aber auch Pfeil und Bogen sowie Schwerter und sonstige Stichwaffen. Für deren Handhabung gibt es klare Anweisungen: Zwar fliegen die Pfeile tatsächlich durch die Luft. Sie dürfen aber nur in eine bestimmte Richtung, einem bestimmten Winkel und unter besonderen Bedingungen abgeschossen werden: die 28 Zoll kurzen, mit großen Federn ausgestatten Pfeile müssen einen Gummipfropfen haben und schaffen durch die kurze Form und die damit verbundene moderate Bogenspannung nur eine (gewollt) begrenzte Flugweite. Die Mann-gegen-Mann-Gefechte, bei denen mit echten Waffen miteinander gekämpft wird, sind choreografiert. Das heißt, dass es sich hier um erprobte Darstellungen handelt, für die regelmäßig während des ganzen Jahres geübt wird - oftmals übrigens von Darsteller-Duos, die schon seit Jahren in der gleichen Konstellation an solchen Darstellungen teilnehmen nehmen. Die Waffen werden vor jedem Kampf erneut überprüft, übrigens bei den Handwaffen sogar gegenseitig, um ganz auf Nummer Sicher zu gehen.
Reenactment und Living History-Veranstaltungen haben, was den historischen Hintergrund angeht, in der Regel einen hohen Anspruch an Qualität und Authentizität. Dazu gehören im Fall der Soester Fehde auch eine entsprechende Bewaffnung und deren Einsatz. Alle dürfen davon ausgehen, dass bei der Soester Fehde, ein größtmögliches Maß an Sicherheit gewährleistet werden kann und damit einer lebendigen und spannenden Geschichtsstunde nichts im Wege steht.